Monatsarchiv: Juni 2009

Don’t panic I’m islamic!

Die Möglichkeiten von Mohammed, Markt und Mode

Mit fetzigen Sprüchen, Reimen, Bildern wie diesen erobert eine neue Moderichtung den Markt. Auf T-Shirts, Taschen, Schürzen, Schlüsselanhängern oder langenärmeligen Girlieshirts, ganz nach muslimischer Glaubensvorschrift, kommen die frechen Sprüche daher.

Die Kleidung kann als Ansage, Statement oder Bekenntnis dienen. Fette Kalligrafieschriftzüge kennzeichnen einen bestimmten sozialen Raum, beispielsweise den der Sprayer und HipHoper, der zu einem großen Teil auch von Jugendlichen mit Migrationshintergrund besetzt wird. Auch politisch bekennen die Trägerinnen Farbe. „Hijab – my right – my choice – my life“ können junge Muslimas jetzt auf Brust oder Rücken tragen und weisen damit auf ihre Sicht der Dinge betreffend langwierige Diskussionen in Medien und Politik hin.

Arabische Wörter in Kalligrafie oder lateinischer Umschrift aus Koran und Sunna verweisen auf das religiöse Bekenntnis des Trägers. Schriftarten, die man eher von besprühten Brücken, U-Bahnen oder Hauswänden urbaner Landschaften kennt, treffen auf knallige Farben und Traditionsbegriffe. Wörter, die eingehen, bekannt sind unter „Insidern“ vorwiegend Muslimen und die die Verkündigung öffentlichen Eingehstehens in sich tragen.

Gleich kommt einem ein soziologischer Gemeinschaft stifftende Religionsbegriff in den Sinn. Ob der wohl hier passt? Das Gemeinschaftsgefühl ein wichtiger Faktor in jugendlichen Subkulturen ist, stellten die Cultural Studies in den 1960ern bereits klar heraus. „Salah“, das Gebet, „always get connected“ oder „Salah – keep together“ zeigen neben der Verortung in einer europäischen Jugendkultur die Verbindung zur ethnischen Herkunftsgruppe auf. Nicht zuletzt erfolgt auch hierdurch eine Abgrenzung von der westlichen Kultur, die mit Kapitalismus und Indiviualismus die Vorteile einer festen Gemeinschaft verkennt. So kickt das Männchen, ganz nach dem Vorbild des Einweg-Entsorgungssymbols, das Ego in die Mülltonne, frei nach dem Motto: Überwinde dein Ego, Ramadan ist angesagt!

Viele Jugendliche wurden und werden von Gleichaltrigen, Schulkollegen oder Bekannten immer wieder auf ihre Religion angesprochen. Nach 9/11 hat sich die Wahrnehmung verändert, oder vielleicht sogar fokusiert, auf nur ein Segment einer ganzen Migrantenkultur. So bleibt eine klare Absage an den Terror nicht aus: „TERRORISM HAS NO RELIGION“ und „Drop love not bombs“ zeigen, dass auch die Designer der Modelinie wissen, was die Teenies beschäftigt.

Wen das jetzt an Love and Peace und Hippieträume erinnert, der liegt nicht weit vom Schuß. Modische Ansagen der Zugehörigkeit oder persönlichen Einstellung haben sich vom Gamsbart über Batiklook bis Heavy Metal Klamottenzu gegebener Zeit fest auf dem Markt etabliert. Imagemarken wie Playboy und die Zigarettenmarke Camel sind auf den Zug aufgesprungen um die Marktlücke an modisch-frechen Produkten für identitätshungriger Konsumenten zu füllen. Mit Erfolg. Der Muslim-Hippie-Hip Hop-Designkonsument wird von klein auf herangezogen. „Muslim by nature“ ist den Kleinsten schon auf den Strampler gedruckt.

Givenchy Kollektion Herbst/Winter 2009

Namhafte Designer haben es vorgemacht. In Kairo wandeln Models mit der neuesten Kopftuchmode unter großem Interesse über den Laufsteg. Warum sollte das an der europäischen Jugend vorbei gehen? Ein neues Selbstbewusstsein ist auch daran zu erkennen, dass StyleIslam.de – das Programm im Namen tragend – neben Deutschland auch in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz, Dänemark, Finnland, Schweden, Italien, der Türkei, Spanien und sogar in den USA seine Produkte verteibt.
So ist es ein geschickter Griff, dass auch auf weltbekannte Labels zurückgegriffen wird. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?

Religiöse Motive als Trendware? Was steht dahinter? Es geht nicht nur um Religion, es geht um mehr. Die Attitude von StyleIslam ist es Lifestyleprodukte mit „einem Touch Orient“ anzubieten „für unsere Brüder und Schwestern und alle Interessierten […] passgenau für die junge islamische Community“. Dabei liegt die Betonung neben der Verwendung von Jugendsprache darauf „funky“ Produkte anzubieten, „ohne dabei unsere Werte zu verlieren“.

Brüderlichkeit und Hilfbereitschaft demonstiert das Label auch durch Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation muslimehelfen.org und integriert so auch die Almosengabe in das Angebot. Wallpapers, Avatare, Videos und social networking versorgen die Community mit Identitätsaccessoires um zu zeigen „wer wir wirklich sind“. Das gelungenes Werbevideo kann hier angesehen werden:

STYLEISLAM® feat. AMMAR114 from styleislam(dot)com on Vimeo.

Aus der Entwicklung der Homepage folgernd, die ich schon länger beobachte, besteht reges Interesse an deren Angebot. Die Palette ist größer geworden, das Profil schärfer. Die Auseinandersetzung mit explizit europäischen Fragen, Problemen und schließlich auch Brands zeigt, Mohammeds Überzeugungen sind endlich auch in der Modegesellschaft angekommen.

… „go spread the word“!