Archiv der Kategorie: Nachhaltigkeit und Ökologie

Zuchtunternehmen: Das Tier als eierlegende Maschine – Wirtschaft – FAZ

Zuchtunternehmen: Das Tier als eierlegende Maschine – Wirtschaft – FAZ.

 

Ein sehr guter Artikel. Auch wenn es bei den Zahlen wohl zu einem Tippfehler bezüglich lebenslanger und jährlicher Milchleistung bei Kühen gekommen ist, stellt der Artikel doch eindrücklich dar, wie durch die Wortwahl Lebewesen abstrahiert werden zu Zahlen und Bezeichnungen.


Deutsche Bank bringt Abholzung an die Börse

Kam Freitag über den Newsletter-Verteiler bei mir an:

Liebe Freundinnen und Freunde des Regenwaldes,

die Deutsche Bank unterstützt den weltgrößten Palmöl-Händler FELDA nächste Woche bei dessen Börsengang. FELDA hat seit seiner Gründung hunderttausende Hektar Regenwald gerodet, um dort Plantagen anzulegen.

Nun ist geplant, an der Börse drei Milliarden Dollar einzusammeln, die dann dafür verwendet werden sollen, in Indonesien und Afrika Regenwald zu roden und neue Plantagen anzulegen.

In Malaysia gibt es heftigen Widerstand gegen den Börsengang der FELDA und des damit verbundenen Landraubs. Zudem hat die neue Führungsspitze der Deutschen Bank gerade erst bekannt gegeben, in Zukunft nachhaltiger agieren zu wollen als Vorgänger Ackermann.

Bitte fordern Sie den neuen Vorstand der Deutschen Bank auf, sich sofort vom Regenwald-Vernichter FELDA zu distanzieren.

Rettet den Regenwald e.V. und Regenwald Report.


Welt voller Wunder: „Pfannkuchen“-Fisch und Titanic-Bakterium neu entdeckt

Oft denkt der Mensch, er hätte alles gesehen, das meiste erforscht und überrascht kann er nur noch schwer werden. Doch auch wir leben noch in einer Zeit großer Entdeckungen.
Vor allem in Regionen mit dichten Regenwäldern oder den ungastlichen Gegenden dieser Welt gibt es immer wieder kleine Sensationen. Innerhalb weniger Jahre wurden allein auf der indonesischen Insel Borneo 67 Pflanzen, 17 Fische, fünf Frösche, drei Schlangen, einen Vogel, 29 Wirbellose und zwei Echsen entdeckt und neu beschrieben. Skeptische Schätzungen gehen von über 1.000 neu entdeckten Tierarten weltweit jedes Jahr aus, optimistische Zahlen von bis zu 200.000. Sehr lustig: der „Pfannkuchen“-Fisch.
Auch in der Botanik ist noch lange nicht das letzte Wort gesprochen. 2009 erst wurde nach Sir David Attenborough eine fleischfressende Kannenpflanze benannt, die sogar Ratten verdaut.

Auch selbst sind wir uns manchmal noch sehr fremd. Wussten Sie, dass es noch viele unkontaktiere Völker auf unserem Planeten gibt? Natürlich sind alle diese Sensationen für sich bedroht. Von euphorischen Sammlern oder durch Zerstörung ihrer Biotope. Am Ende müssen vernünftige Menschen andere Menschen vor vermeitlich vernünftigen Absichten schützen. Verrückte Welt!


Kein Asyl für Eisbären

Wieviel ist ein Eisbär wert? Monitär lässt sich dieser Wert ausdrücken durch seinen Einkaufspreis, seine Haltungskosten und den Anteil am Verkauf von Eintrittstickets in den Zoo. Bei frei lebenden Bären, sieht die Sache jedoch etwas anders aus. Bären gehören zu den größten Raubtieren an Land. Auch wenn sie für gewöhnlich eher in kaum besiedelten Gebieten leben, kommt es in Island in den letzten Jahren immer wieder zu Zusammentreffen.

Abenteuergeschichten der Auswanderer nach Amerika, die Indianer überwältigten und in weitläufigen Gebieten wilden Bären begegneten, sind Teil amerikanischer Erzählkultur. In diesem aktuellen Fall ist es nicht der moderne Mensch, der neues Territorium erobert und die wilde Natur bezwingt. Diesmal wandern die Eisbären mehr oder weniger freiwillig aus – nach Island.

Wo in Zentraleuropa für „Problembär“ Bruno Fernsehgesprächsrunden abgehalten wurden und Bruno-Freunde zu Demos aufriefen, scheint das Verfahren mit den weißen Riesenteddys in Island weniger diskussionswürdig zu sein. Diskussionsfreier Abschuss ist die schlichte Universallösung für hellbepelzte Gestrandete auf dem Inselstaat. Dabei gab es eigentlich gar kein Problem, außer das hypothetische Vorbeiwandern einiger Touristen am ausgehungerten Tier. Dieser Snack des Eisbären wäre wohl ein kleiner GAU für Islands Tourismus. Island befindet sich in einem Zustand, den es bis vor kurzem auch nur hypothetisch gab – den Staatsbankrott. Geld für einen Problembär ist hier knapp. Betäuben und Rückführen? Bärenreservat für tierische Grönlandflüchtlinge? Alles zu teuer.

Stumpfsinn zahlt sich nicht aus

Sollte allerdings die Abschusspraxis bei den Medien guten Aufwind erhalten, könnte das Island auch schaden. Bekanntlich sind die Deutschen mit ihrem Tierschutzgesetz, gemessen an ihren Nachbarn, sehr tierlieb. Sie sind sehr beliebte Urlauber auf der nordischen Insel. Außerdem war da ja schon mal so ein Problem: der Walfang schreckte merklich Touristen ab.

Schon hier wird deutlich, dass die monitäre Aufrechnung aus einer Formel mit vielen Platzhaltern besteht. Ein bestimmter Zahlenraum begrenzt die möglichen Kandidaten wohl etwas. Aber dann gibt es auch noch unbekannte Faktoren, die sich unter Umständen gar nicht auflösen lassen. Auch wenn sie oft unbemerkt als ewig unbekannter Faktor in der Gleichung mitgeführt wird, ist sie doch da: die Frage, ob dieses klare Praxis ethisch zu rechtfertigen ist und am Ende nicht doch das Problempäckchen vor die eigene Haustür trägt.

Immer mehr Eisbären stranden auf Island: Behörden greifen zum Gewehr – taz.de


FSC – oh weh! Paviantötung mit Ökosegen

Die Hoffnung auf eine schöne, bessere Welt birgt auch das Risiko der Enttäuschung in sich. Und zwar gewaltig war ich enttäuscht, als ich gelesen habe, das FSC außer zweifelhafter Monokulturwirtschaft jetzt auch noch Paviane abschießen lässt.

Was bisher geschah …

FSC steht für „Forest Stewarship Council“. Ich habe mich durchaus gefreut, als sich 1993 endlich eine Gruppe von Menschen zusammenraufte und eine Nichtregierungsorganisation nicht nur zum Schutz der letzten (Ur)Wälder, sondern auch für die praktische Abhilfe – eine nachhaltige Holzproduktion und Papierherstellung – gründete. In den letzten Jahren ist auch tauchte das Siegel auch immer öfter auf, jetzt auch beim Discounter, im Baumarkt und auf dem Druckerpapier der Deutschen Post und des Media Marktes. Endlich bekam der Verbraucher die Möglichkeit sich gegen Teakholz unbekannter Herkunft zu entscheiden, denn Teak ist nicht selten das Baumerbe der Welt – die Urwaldriesen in Papierformat oder charmanten Latten am Gartenbänkchen. FSC zertifizierte die letzten Jahre vermehrt auch anders Harholz für Gartenmöbel, beispielsweise das schnell wachsende Eukalyptus. Rein rational eine kluge Entscheidung eine schnell wachsende Holzart für Gartenbesitzer mit Sitzmögelambitionen auszuwählen. Dachte ich so jedenfalls.

Mit breiterer Bekanntheit häufte sich die Kritik. Es ginge gar nicht um Schutz der ursprünglichen Wälder, sondern mehr um eine Vermarktungsstrategie für Plantagenholz aus riesigen Monokulturen. Ganz weit vorne in Reih und Glied gepflanzt: der Eukalyptus. Es kommt nicht selten zu verheerenden Bränden, die ganze Landstriche vernichteten. Flammen haben leichtes Spiel bei vermessenen Abständen und praktisch nicht vorhandener Vegetation, außer den Plantagenpflanzen. Dass dieses Gebiete kein Rückzugsort für die heimischen (oft vom Aussterben bedrohten) Tierarten ist, ist wohl  leicht nachzuvollziehen.

Monokultur, die Massentierhaltung im Pflanzenbereich, ist zudem sozial nicht nachhaltig. Sie führt meistens die Gepflogenheiten der Großagrarier, die wir schon aus bereichen wie Kakao oder Kaffee kennen, einfach weiter. Die Ressource Boden, die für viele Menschen vor Ort ein kostbar(st)es Gut ist, ist zum Vorteil weniger verteilt, wird einseitig genutzt, ausgelaugt und am Ende oft vernichtet.

So schön hatten wir es uns gedacht. Weder das rationelle Effektivitätsdenken noch globale Arbeitsteilung scheint nicht die Lösung für unsere bessere, gleichere Welt zu sein.

Wilde Horden in Garten des wertvollen Gutes

Abgesehen davon, dass viele Tiere durch Anlegen von Holzplantagen ihres Bodens beraubt werden, wünscht sie sich der Mensch gleich tot. Denn was nichts nützt, gar schädigt, muss getilgt werden. Der Baumverbiss der tausenden von Pavianen, die zwischen den akkurat gepflanzten Reihen einen gedeckten Tisch vorfinden, schädigt die Hersteller des Öko-Holzes. So greifen die Produzenten zur Knarre. 1040 Paviane wurden auch dieses Jahr zum Abschuss freigegeben. Über Sinn- oder Unsinnhaftigkeit dieses Vorgehens aus ökonomischer oder politischer Perspektive lässt sich sicher diskutieren und es ist nachvollziehbar, dass solche Debatten zum Nachteil der schlauen Affen ausgehen.

Aus wissenschaftlicher Perspektive ist die Rechnung Affe tot = weniger Affen = weniger Probleme allerdings alles andere als korrekt. Auch in Deutschland können wir erleben, dass Fuchsjagd und Wildschweinabschuß im großen Stil keine Auswirkungen oder sogar negative (aus Sicht der Weg-haben-Woller) haben. Ähnlich liegt der Fall bei den südafrikanischen Pavianen.

Die Begriffe „umweltfreundlich“ und „sozialförderlich“, die FSC auf seiner Homepage zur Selbstcharakterisierung benutzt, erzeugen allerdings aus ethischer Betrachtungsweise ein widersprüchliches Bild. Zweifelsohne waren uns sind die Affen Teil der Umwelt dieser Plantagen, der Bäume und der Menschen in Südafrika – dem Ort des Geschehens. Umweltfreundlich bezieht sich bei gegebenem Vorgehen wohl eher  als (massen)baumfreundlich oder direkter gesagt: geschäftsfreundlich und -förderlich. Abgesehen von billigem Druckerpapier und günstigen Gartenausstattungen bleibt für uns Westler allerdings nur ein nicht materieller Minuswert auf dem Konto: Gerodete Waldgebiete, nicht mehr existente Artenvielfalt, ausgebeutete Bevölkerungen und tausende von toten Affen. Bravo FSC!

Auf der Internetseite planten.de gibt es weitere Informationen zum Nachlesen und auch Links um an einer Protestaktion teilzunehmen. Take part!


Verfolgung einer Tomate

Bio – prima für’s Klima! Oder doch nicht?

Ich war heute bei Tengelmann einkaufen. Wenn es schnell gehen soll, dann ist das der nächste Markt in der Nähe. Was ich an Gemüse gekauft habe, war alles Naturkind – die Hausmarke von Tegelmann und bio-zertifiziert. Aus Interesse, wo denn die sechs akkurat in ein Plastikschälchen gequetschten Tomaten herkommen, habe ich mich auf die Suche begeben.

Die Tomaten sind aus Spanien, aus Almeria, und zwar hier:
Größere Kartenansicht

Das Plastikmeer an Gewächshäusern ist sogar aus dem Weltall zu sehen

Foto von einem Sateliten der NASA

Wie man sieht, kommen meine Tomaten aus dem Mar del plastico, dem Plastikmeer. Sie haben eine Fahrtstrecke von über 2.600 Kilometern und eine reine Fahrtzeit von 21 Stunden hinter sich, bis sie in meiner Region sind.
Wie sie wachsen, kann man beim Produzenten Biosabor in einem Video auf der Homepage begutachten. Ganz neue Nachrichten gibt es zu dem Unternehmen. Es erhielt am 20. Januar einen EU-Zuschuss über 207.000 Euro für Bau von Lagerstätten, Gefrier- und Kühlmöglichkeiten, nachdem es schon zuvor einmal 162.500 Euro erhalten hatte. Die Region ist sehr stolz auf Francisco Belmonte, den Leiter des Unternehmens, da er Vorreiter des biologischen Anbaus in dieser Umgebung ist. Der Umsatz lag 2010 bei 8.000.000 Euro. Es wird 2011 mit einer Steigerung um 30 Prozent auf etwa 11.000.000 Euro getippt. Es werden jährlich circa 10.000 Tonnen ökologische Tomaten produziert.

Im Januar 2010 war die Zentralschweizer Gemüseproduzenten in Spanien unterwegs und besuchten auch BioSabor. Hier ihr Eindruck:

BioSabor

Die im Jahr 2008 gegründete Firma BioSabor stand am letzten Tag auf dem Besuchsprogramm. Die Firma BioSabor ist ein Familienbetrieb der auf 30 ha biologische Tomaten anbaut. Der gleichen Familie gehört auch die Firma Nijarsol. Nijarsol produziert auf einer Fläche von 70 ha konventionelle Cherry-Tomaten und Rispentomaten. Um den Betrieb zu diversifizieren wurde im Jahr 2008 der Bio-Zweig gegründet.
Die Hauptmengen der konventionell und biologisch erzeugten Tomaten sind für den englischen und deutschen Markt bestimmt. Ein kleiner Anteil von 3% der biologischen Produkte findet seinen Weg auch auf den Schweizer Markt. Alle besuchten Betriebe hinterliessen einen sehr guten Eindruck. Die verschiedenen Qualitätsstandards wie z. B. GlobalGAP werden glaubhaft umgesetzt. Abfallhaufen hinter den Gewächshäusern, wie noch vor ein paar Jahren, waren nirgends mehr zu sehen. Was besonders aufgefallen ist, dass auf den Betrieben nirgends Personen bei der Arbeit zu sehen waren. Der Personalbedarf von 2 – 3 Personen pro Hektar Gewächshausfläche liegt deutlich tiefer wie in der Schweiz, wo mit 5 – 6 Personen pro Hektar gerechnet wird. Die Personalunterkünfte die uns gezeigt wurden, konnte man nur als fürstlich bezeichnen, doch hat dies sicherlich nicht der Regel entsprochen. Die Produzenten in der Provinz Almeria gehen etwas unsicheren Zeiten entgegen. Hauptsorge ist sicherlich die starke Konkurrenz aus dem Billigstlohnland Marokko, aber auch die Wasserversorgung bereitet Probleme. Durchschnittlich werden für ein Hektar Gewächshaus täglich 30 m3 Wasser benötigt, das wären bei den 36.000 ha Fläche in El Ejido täglich etwa 1.1 Millionen Kubikmeter Wasser, eine fast unvorstellbare Menge.

Hans Kling, Strickhof Fachstelle Gemüse, Januar 2010 auf strickhof.ch

Quelle: wikicommons/Goldlocki

Tomaten im Gewächshaus auf Steinwolle

Mein Tomatenhersteller produziert also biologisch und konventionell.

Die Anbaugebiet Campo de Nijar, aus dem meine Tomaten kommen, das ein Nachbargebiet von Campo de Dalías ist, kommentiert der Diercke Weltatlas so:

Grundsätzlich bleibt den Bauern nicht allzu viel von dem Verkaufserlös. Die Preise werden von den Handelskonzernen bestimmt. Den Bauern bleibt nur ein Zehntel von dem, was über dem Verbraucherpreis verdient wird.
Umweltbelastung durch Sonderkulturen
In den Aktivräumen an den Küsten hingegen übte diese Entwicklung einen enormen Druck auf die Naturreserven Wasser und Boden aus; zugleich führte der Anbau in den Gewächshäusern zu hohen Umweltbelastungen. Für die Wasserversorgung im Campo de Dalías werden heute fossile Wasservorräte aus 100 Metern Tiefe gefördert. Auch aus den Bergen nördlich des Gebiets wird Wasser aus dem Staudamm Benínar in die Anbaugebiete geleitet. Das Wasserdefizit in der Versorgung beträgt rund 50 hm³ pro Jahr. Um die Grundwasserreserven nicht weiter zu belasten, wird heute das Bewässerungswasser aufgefangen, recycelt und wiederverwertet. Auch gereinigtes Abwasser und entsalztes Meerwasser, das in der Meerwasser-Entsalzungsanlage bei Balerma gewonnen wird, sollen den Grundwasserverbrauch reduzieren. Planungen, über Pipelines den Rio Ebro im Norden Spaniens anzuzapfen, sind zunächst wieder eingestellt worden.
Sonderkulturen benötigen eine intensive Düngung und haben einen hohen Bedarf an Agrarchemikalien. Der Eintrag von Pflanzenschutzmitteln in die Böden und die Auswaschung ins Grundwasser führen zunehmend zu einer Beeinträchtigung der Grundwasserqualität. Der Anbau in Monokultur sowie die heißen und feuchten klimatischen Bedingungen in den Gewächshäusern begünstigen den Schädlings- und Pilzbefall. Zusätzlich gelangen durch die „Solarisación“, die Bodendesinfektion unter Sonneneinwirkung, erhebliche Mengen an Pflanzenschutzmitteln in das Grundwasser. Bei dieser Methode werden die Böden mit Wasser durchtränkt und den Sonnenstrahlen ausgesetzt. Bei geöffnetem Gewächshausdach erwärmt sich die Bodenoberfläche bis auf 60 bis 70 °C. Diese Temperaturen reichen aus, um unerwünschte Keime abzutöten. Die Auswaschung von Düngemitteln zeigt sich in hohen Nitratbelastungen im Grundwasser. In den drei hydrologischen Einheiten des Campo de Dalías – Balerma-Las Marinas, Balanegra und Aguadulce – wurden Werte ermittelt, die mit mehr als 100 mg/l Nitrat weit über dem zulässigen EU-Grenzwert von 50 mg/l für Trinkwasser liegen.
Die Provinz Almería ist eine der trockensten Gegenden Europas und zugleich die am intensivsten bewässerte. Der hohe Wasserverbrauch in der Landwirtschaft beeinflusst auch die Wasserreserven in der Provinz. Das Grundwasser ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen und zudem versalzen. Der südliche Bereich des Aquifers Campo de Dalías wird seit 1995 offiziell als „übernutzt“ bezeichnet. Er ist damit einer von sechs Grundwasserbereichen der insgesamt 21 hydrologischen Einheiten in den Küstenbereichen von Spanien, in denen der Wasserverbrauch höher ist als das Grundwasser sich erneuern kann. Auch die beiden weiteren in Almería existierenden Gemüse- und Obstanbauzentren Campo de Níjar und Andarax-Almería weisen diese Defizite in der Wasserversorgung auf.

Meine Tomaten haben nicht nur das EU-Biosiegel (ein grünes Blatt aus Sternen, das keine Definition von Bioanbau gibt und generell mehr ein Vermarktungsticket für europäische Lebensmittel im Allgemeinen ist) sondern auch das deutsche Biosiegel, das bekannte Sechseck. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das dieses Siegel in seiner Obhut hat definiert ökologischen Landbau wie folgt:

Der ökologische Landbau ist eine besonders ressourcenschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsform, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert.

Es ist also ökologisch, Pflanzen in einer Menge anzubauen, dass von Monokultur zu sprechen ist?

Es ist ökologisch, diese Pflanzen in Plastik von ihrer Umwelt abzuschirmen und damit auch Nützlinge und Insekten von ihnen?

Es ist nachhaltig, den Boden und das Land einer ganzen Region mit Gewächshäusern zu versiegeln und viele Bemühungen zu unternehmen, diesen Boden unter den Gewächsen „keimfrei“ zu halten?

Es ist ökologisch, eine ganze Region mit Pestiziden und Düngemitteln so zu verseuchen, dass die Menschen die dort leben darunter leiden?

Es ist nachhaltig, wenn einer ganzen Region das Grundwasser abgepumpt wird, nachdem es mit Agrarchemie verunreinigt wurde, um dann das (wohl gemerkt nicht regenerierbare) Tiefenwasser zu fördern?

… und diese ganzen Prozesse sollen umweltschonend sein?

Die sozial-ökonomische Dimension mit Einsatz illegaler Einwanderer aus Nordarfrika als billige und rechteloses Arbeitskräfte ist bei den politischen Biosiegeln noch komplett außen vor. Es wird also weiter ausgebeutet.

Mein Fazit: Das deutsche Biosiegel ist nur in Verbindung mit zusätzlicher Zertifizierung durch einen Anbauverband (demeter, Naturland, Bioland, Biokreis, usw.) und/oder durch Kennzeichnung der sozialen Fairness (fairtrade o. ä.) vertrauenswürdig. Das EU-Biosiegel ist nicht das Etikett wert, auf dem es gedruckt ist.

Zum weiterlesen:

Wie kann man also die Situation verbessern? Wie die Handelskette transparenter machen, den Kunden besser informieren? Es gibt bereits Initiativen die diesen Bedarf erkannt haben und Gesicht zeigen: bio-mit-gesicht.de

Ökologisch und sozial sind die Anbauverbände mit ihren festen Lieferpartnern und eigenen Projekten.


Was ist eigentlich Nachhaltigkeit?

Einen kurzen Moment war ich begeistert und beeindruckt von der riesigen Werbeaktion von RWE die 2009 erstmals über meinen Bildschirm flimmerte. Gibt es da doch ein Umdenken? Hat der Wille zu einer Energiewende vielleicht endlich die Großen der Branche erreicht?  Spätestens seit RWE sich mit den anderen Stromgroßkonzernen 2010 öffentlich für die Verlängerung der Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke eingesetzt hat, kommen auch in den Letzten, die Vertrauen in die Ehrlichkeit und den Innovationswillen von Unternehmen hatten, Zweifel auf. Im Jahr zuvor noch hatte RWE von der Werbeagentur Jung von Matt die aufwendige Kampagne mit dem grünen Riesen kreieren lassen, die den alleinigen Erzeuger von jährlich 170.000.000 Tonnen CO² (20 Prozent des Gesamtausstoßes der BRD) als Wegweiser für erneuerbare Energien darstellte.

Die Assoziation des Unternehmens mit dem voRWEg trampelnden grünen Riesen ist gelungen. Die Rechnung für ein grünes Image, dennoch nicht aufgegangen.  Greenpeace antwortete auf den Spot mit bitterer Satire und realen Zahlen. So hat sich RWE mit seiner Aktion wohl eher in die Nessel gesetzt und den Verbraucher mehr misstrauisch als vertrauensvoll gestimmt.

In der Werbeindustrie gibt es eine Bezeichnung für diesen neuen Trend der Einzug in die Marketingabteilungen der Weltkonzerne gehalten hat: Green washing. Es stimmt, dass die Kernkraft zu ihrer Einführung eine Innovation besonderen Ausmaßes war. CO²-freie Energieerzeugung, saubere Luft, saubere Gewässer und so gut wie keine Belästigung für die Bevölkerung. Die Erzeugungsstätten unserer Energie wurden unsichtbar für die Mehrheit der Bevölkerung. Im Vergleich zu Kohlekraftwerken kann man Kernkraftwerke durchaus als nachhaltige Klimaschützer bezeichnen, allein die Atomgegner wollen das nicht so sehen. So haben es die Stromkonzerne nicht einfach gegen den Widerstand gegen die nicht risikofreie und auch endliche Energiequelle als nachhaltig wirtschaftende Unternehmen wahrgenommen zu werden.

So gut wie das Wort „Nachhaltigkeit“ zu Beginn des neuen Jahrtausends bei der Bevölkerung eingeschlagen hat, so sehr hat es seinen Inhalt verwässert. Ausgehöhlt und so ziemlich von jedem Unternehmen genutzt steht der Verbraucher wieder vor der Frage: Wer wirtschaftet wirklich „nachhaltig“ und wer kleidet seine eher halbherzigen Bemühungen nur in ein grünes Mäntelchen?

„Das Konzept der Nachhaltigkeit beschreibt die Nutzung eines regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise regeneriert werden kann.“ [Enquete-Kommission der Bundesregierung „Herausforderungen und Antworten“ 2002]

Mit dieser Definition als Basis ist RWE bereits ausgeschieden. Regenerierbarkeit ist weder bei Uran als Rohstoff – abgesehen von der Möglichkeit der Wiederaufbereitung – wie der Kohle nicht gegeben. Bedingung ist die Erhaltung des existierenden Systems, der Lebensgrundlage für uns und nachfolgende Generationen. Welches System die Bezugsebene darstellt ist freilich variabel und relevant. Für einen Kopf der italienischen Mafia wird es am besten für seine Nachkommen sein, das mafiöse System zu erhalten und die Position des Nachfolgers zu sichern. Der Mafiaboss denkt und agiert nachhaltig.
Zur Erhaltung unseres Wohlstandes in der ersten Welt ist es notwendig, dass uns billig zugearbeitet, billig produziert wird und ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen. Da eine gerechte Verteilung des weltweiten Einkommens zu einem Wohlfahrtsgewinn in Schwellenländern und der dritten Welt führen würde, würde unserer in Europa sinken. Kurz: wir müssten den Gürtel enger schnallen. Unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit, in diesem Fall der nachhaltigen Erhaltung politischer Vormachtstellung des Westens zur Sicherung des Wohlstandes, ist das Agieren von amerikanisch kontrollierten Weltbank und protektionistischer EU die logische Konsequenz. Das von anderer Perspektive dies als ungerechte Unterdrückung, Erhaltung des Abhängigkeitsverhältnisses oder gar Neokolonialismus bezeichnet wird, ist ein andere Punkt. Ist das Bezugsystem eine lebenswerte Welt in der jeder Mensch die Menschenrechte uneingeschränkt zuerkannt bekommt, wird hier der Konflikt klar. Also was ist Nachhaltigkeit nun?

Klar ist in unseren Breitengraden, dass das Bezugsystem Ökologie und Soziales ist, oder: schütze die Umwelt, würdige die Menschen. Es hat hier nicht nur den Anschein, als wäre das bei den 68ern schon mal dagewesen. Warum fragen sich eigentlich so wenige Leute, warum das in Deutschland mittlerweile breite ökologische Bewusstsein in Frankreich kaum vorhanden ist? Noch weniger in Italien? Haben sich doch  diese Länder Europas ähnlich entwickelt, gegenseitig befruchtet und historisch – auf die ein oder andere Art und Weise – immer in engem Kontakt gestanden.

Deutschland hat eine Tradition als Konstruktionsstube globaler Technik. Das wird auch im Bereich der erneuerbaren Energien gefördert und gefordert. Ist nun dieses technische Denken, dass doch stark auf Effizienz ausgerichtet ist mit Nachhaltigkeit vereinbar? Eine lineare Denkweise ist eng verbunden mit einer Effizienzausrichtung. Wie löst man ein Problem am besten letztendlich in Luft auf?
Sieht man Zahlen der aktuelle weltweiten CO²-Produktion – vor allem der Industrienationen – im Vergleich zu den Werten, wie sie sein müssten, um die Folgen der Erderwärmung so gering wie möglich zu halten, kann man leicht von Hoffnungslosigkeit überwältigt werden. Der Verfahrenstechniker Prof. Dr. Michael Braungart meint: „Es ist nicht gut, weniger schlecht zu sein“ und kritisiert damit Zielrichtung von weniger Umweltbelastung des Menschen durch technische Neuerungen. Das käme der Vorstellung gleich nicht existent zu sein, dem Wunsch danach sich aufzulösen. Schließlich ist die Menschheit als Parasit des Planeten wahrgenommen. Es ist eine lineare Denkweise, wenn die EU Energie aus Müllverbrennung als erneuerbare Energie umetikettiert, denn das ist sie nicht. Plastik und andere Inhaltsstoffe sind für eine wiederholte Verwendung in einem Güterkreislauf unwiederbringlich verloren und es entsteht dabei hauptsächlich weitere Belastung für die Athmosphäre. Nachhaltig ist eine Bewertung von Gegenständen nach ihrem Nutzen. Es hat keinen Nutzen für den Menschen, wenn giftige Stoffe in Kleidung Allergien auslösen. Es hat keinen Vorteil, wenn Asbest in Autoreifen verboten ist, dafür aber ein anderer ähnlich schädlicher Inhaltsstoff zugesetzt wird. Die Bezugsebene muss von Effizienz auf Qualität verschoben werden.Schließlich ist nur giftfreies Plastik um uns herum die einzig gute Qualität.

Weniger ist nicht immer mehr. Das Ziel vieler Politiker scheint zu sein: Wie zügle ich die negativen Einflüsse auf unsere Umwelt und bremse dabei nicht die Wirtschaft aus. Ist Abstinenz der richtige Weg? Sicher ist, das dieses Verhalten nur über Ethik gesteuert werden könnte. Das dies ein mühsamer Ansatzpunkt ist, ist auch den meisten Altruisten klar. Vielleicht ist dies jedoch gar nicht nötig. Nachhaltiger als eine Selbstbeschränkung des Kaufverhaltens ist das gezielte Kaufen. Kauft der Kunde bei Firma xy, die sich zum Ziel gesetzt hat ihre Tintenpatronen zurückzunehmen und so weit wie möglich zu recyclen, ist dies nachhaltiger als das Unterstützen der Firma z, die lediglich für die Kosten der Sondermüllbeseitigung aufkommt (und schon das ist in manchen Branchen keine Selbstverständlichkeit).
Ziel ist eher ein zyklisches Denken, in dem der Mensch seinen Platz in einem natürlichen Kreislauf einnimmt. Nicht durch Ablehnung der Errungenschaften des technologischen Zeitalters, sondern indem der Mensch seine technischen Möglichkeiten zum Vorteil aller, sprich für die beste Qualität, einsetzt. Man denke an kompostierbare Verpackungstüten oder vollständig recyclebare Autos.

Nachhaltiges Handeln besteht also mehr als aus Mülltrennung und Bahn statt Auto. Nachhaltiges Handeln bedeutet anders denken. Nicht, wie kann der Mensch in dieser Welt leben ohne etwas zu verändern, ohne einen Faktor darzustellen, durch Verzicht und Verringerung des CO²-Fußabdrucks, sondern wie kann der Mensch in dieser Welt als Teil eines Systems leben und dieses als Kreislauf denken und erhalten.
Die Macht hat nicht die Politik, die mit ihren Alibisanktionen kaum etwas bewirkt und nicht die komplette Wirtschaftswelt mit Normen in Beton gießen kann. Leider nur zu oft verlässt sich der träge, obrigkeitsgläubige Deutsche auf den Staat. Der kann das Regeln, der Einzelne kann nichts ausrichten. Doch die Macht liegt beim Verbraucher, der entscheidet, ob er qualitative innovative Unternehmen unterstützt, oder sich nicht um das Gesamtbild kümmert. Eigentlich ist jedoch keiner von uns scharf darauf, seinen Kindern giftiges Spielzeug zu kaufen oder sich in schwermetallhaltige Kleidung zu kleiden.

Der Votrag von Prof. Dr. Braungart (Vortrag beginnt ab 4:50 Min)


Europas arme Schweine

Über Ferkelproduktion und Schweinemast zwischen Profit und Leistungsdruck unter deutschen Schweinebauern

„Massentierhaltung“, ein gar grausiges Wort, dass derzeit durch unsere Gesellschaft geistert. Dabei werden tausende Tiere auf engem Raum gehalten um möglichst schnell Schlachtreife zu erreichen. Dabei variiert die Mastdauer in Abhängigkeit von der Tierart, bei Hühnern rund 8 Wochen, sind es bei Schweinen etwa 6 Monate. Lange wurden Kritiker von den Agrarbetrieben nicht ernst genommen. Nun sind diese mehr und mehr unter Bedrängnis und schießen bisweilen auch gegen Tierschutzorganisationen wie beispielsweise die „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“.

anklicken zum Vergrößern; Quelle: Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

„Mit dem Rad zur Arbeit, dazu regelmäßig frische Milch und ein gesundes Stück Fleisch, das wäre eine Frischzellenkur für Mensch und marode Krankenkassen. Scheinbar ist Herrn zu Wehdel – Präsident der Landwirtschaftskammer – entgangen, dass diese Erkenntnisse seiner Lobby, entsprechen nicht aber denen der Wissenschaft. Die“Deutsche Gesellschaft für Ernährung“ (DGE) empfiehlt maximal dreimal pro Woche eine angemessene Menge Fleisch und rät allgemein zu vegetarischer Ernährung. Die AGA hält gar eine vegane Ernährung für Menschen jeder Altersstufe für problemlos.

Lebenserwerb gegen Ideologie: Verhärteten Fronten

Die eigentliche Stoßrichtung waren wohl weniger Vegetarier. Bei dieser Verweigerungsgruppe ist wohl für Fleischproduzenten sowieso jede Hoffnung verloren. Viel mehr wird das Feindbild der radikalen Tieschützer bemüht. Ganz klar, Fleischverzicht tut mehr weh als schmerzloser Protest gegen nicht artgerechte Tierhaltung, sprich, der Konsument kann hier in einer Doppelrolle zum Gegner werden.
Zudem hat die angegriffene Oranisation in erster Linie gar nichts mit dem Veggiday zutun. Dennoch ist es im Sinne der Albert Schweitzer Stiftung, solche Aktionen zu unterstützen.Die Macher der Aktion „Veggiday“ grenzen sich sogar explizit von Tierschutzorganisationen ab um dem Ideologieverdacht zu entkommen. „Wir, die Initiatoren des „Veggiday in Bremen“, sind keine Vegetarier und wollen niemanden zum Vegetarismus bekehren, das sollen die Anhänger dieser Ernährungsform schon selber tun. Wir vertreten mit unserem „Veggiday“ auch nicht die Ziele von Tierschützern, die Fleischverzicht ausschließlich aus Tierschutzgründen propagieren.“ Anliegen sind in erster Linie Klima und Gesundheit. Hier erreicht die Debatte eine andere Ebene als die ideologische auf der sich Fleischlobby und Tierschützer traditionell bekämpfen. Es geht plötzlich um Themen, die eine breite Gesellschaft bewegen wie der Klimawandel. Ja, wenn es nicht gar um das Thema geht: Gesundheit.

Kühe versauen unser Klima

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO) hat bereits 2006 einen Bericht über die langfristigen Folgen unseres Fleischkonsums vorgelegt („Livestock’s long shadow. Environmental issues and options“, Rom 2006). Darin ist dargelegt, das 13 Prozent der weltweiten CO²-Emissionen aus Verkehrs- und Transportwesen stammen, 18 Prozent aus Tierhaltung und Fleischkonsum.
Interessant an der Sache ist, dass die FAO den Bedarf an Ackerfläche zur Erzeugung von Fleisch und Milch durch erhöhten Pflanzenertrag kalkuliert. Das bedeutet entweder Tiere, die aus weniger Input (Futtergehalt) mehr Output (Milch und Muskelmasse) machen, oder Pflanzen, die dem Tier mehr Nährstoffgehalt anbieten. Das Friedrich-Loeffler-Institut in Braunschweig ist Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit Dieses hat hier neben optimierter Tierernährung auch Pflanzenzüchtung und Tierzucht durch Einsatz von „grüner Gentechnik“  (von Gegnern als „Genmanipulation“ bezeichnet), als Lösungsmöglichkeit angeboten. „Höhere Leistungen – Weniger Tiere“ und „Höhere Effizienz der Nutzpflanzen“ bringt es als Schlussfolgerung auf den Punkt. Ziel ist die Optimierung des „Veredelungsprozesses“, wobei Letzteres die Umwandlung von pflanzlichen Produkten  in höherwertige Tierprodukte  bezeichnet. Dementsprechend kann man Massentierhaltung aus als „Veredelungswirtschaft“ bezeichnen.

Kwun Tong Shui Wo Straßenmarkt in China; Quelle: wikimedia

Klimarettung und Welternährung durch EU und Interessenverbände

Auch die Interessenverbände der Viehwirtschaft wünschen sich leichtere und schnellere Zulassungen von gentechnisch verändertem Saatgut (Genveränderten Organismen) in Europa. Nicht nur Schweinehalter stehen in Deutschland unter enormem Preisdruck. Viele Agrarverbände erörtern ihren Mitgliedern, dass Markterlaubnis für GVO in Europa die Futtermittelkosten und somit die Gewinnspanne der Erzeuger vergrößern könne. Dass dieser Effekt höchstwahrscheinlich nur kurzfristig weilen würde, fällt unter den Tisch. Von „Gewinn“ kann in der „Intensivtierhaltung“ oder „landlosen Tierhaltung“, wie bevorzugte Bezeichnungen der Hühner-, Rinder- und Schweineproduzenten sind, nicht groß die Rede sein. Nach Angaben der Landwirtschaftskammer Niedersachsen konnten 2008 nur etwa zwei Drittel der Betriebe schwarze Zahlen schreiben. Niedersachsen und das Emsland beheimatet rund 50 Prozent der Ställe in Deutschland. Die Preise die die Erzeuger erhalten sind knapp kalkuliert. In Deutschland herrscht Überproduktion. Dennoch machen Interessenverbände und Politik Hoffnung auf ein gutes Exportgeschäft nach China oder andere Regionen der Welt, die dem westlichen Lebensstil nacheifern.

Doch auch die EU spielt ihre Rolle dabei. Sie ist stets bemüht Lebensmittelkosten für die Verbraucher auf niedrigem Niveau zu halten. Vor allem die wirtschaftsliberalen Ideale von freiem Personen-, Kapital-, Finanz- und Güterverkehr prägen ihr Vorgehen. So sieht die EU ungern Einschränkungen der freien Marktwirtschaft. Sei es durch Einfuhrverbot von GVO oder Verbote für den Anbau derselben. Dass EU-Politik auch protektionistische Züge aufweist wird deutlich an den hoch subventionierten Exporten von Milch- und Milcherzeugnissen, aber auch lebenden Tieren in Länder außerhalb der EU, häufig der dritten Welt. Rund 40 Millionen Euro jährlich in Form von Agrarsubentionen lässt die Staatengemeinschaft sich das kosten. In Deutschland erhalten davon allerdings weniger als 1 Prozent der Erzeuger mehr als 300.000 Euro, während 70 Prozent der Betriebe unter 10.000 Euro bleiben. Die „großen“ Empfänger sind meist Unternehmen die nicht mehr in erster Linie mit der Erzeugung von Lebensmittel zutun haben (oder manchmal auch gar nichts mehr) sondern mehr verarbeitende Betriebe wie Campina oder Storck.
Hier scheinen die kleinen Schweinemäster also nicht die großen Gewinner zu sein. Zwar sind Milchsee, Butter- und Fleischberge seit 2007 endgültig aufgebraucht, die Überproduktion geht jedoch ungebremst weiter. Auch  umfassende Standardisierung der Lebensmittelproduktion ist der EU ein Herzensanliegen. Natürlich hat das den Vorteil, dass man hier scheinbar alles besser kontrollieren kann, als bei kleinbäuerlicher Strukturierung. Zudem ist hier ein verbesserter Arbeitsprozess verantwortlich für rationelles Produzieren. Zweifelsohne ist hygienisch gesehen durch einheitliche Normen der EU die Fleischqualität und -sicherheit gestiegen. Ob der vorangetriebene Rationalisierungsprozess auch  ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis für Gesellschaft und Umwelt anbietet ist jedoch fraglich. Einen kleinbäuerliche Struktur passt eben nicht zum fortschrittlichen global player Europa.

Schweinemast 1952; Quelle: Bundearchiv

Verunsicherungen und Hoffnungen

Bei topagrar online, einem „Magzin für moderne Landwirtschaft“ gab es 2008 einen Expertenchat für Schweinehalter. Auf die Frage nach der Größe der Schweinemast und ihren Standorten in zehn Jahren antwortete Dr. Claus-Ulrich Honold, Notierungsleiter an der Landesstelle für landwirtschaftliche Marktkunde in Schwäbisch-Gmünd als Experte: „Wir haben eine sehr starke regionale Differenzierung, z.B. ist in Süddeutschland ein 1000er-Betrieb schon groß. In Niedersachsen ist dies wahrscheinlich ein unterdurchschnittlicher Bestand. Wahrscheinlich wird es in 10 Jahren auch in Süddeutschland schwierig sein ausschließlich von 1000 Mastplätzen zu leben. Die Frage nach den Standorten: Ziel sollte es immer sein, an einem entwicklungsfähigen Standort möglichst viele Mastschweine zu halten, wo die Obergrenze letztendlich liegt, ist selbst innerhalb eines Bundeslandes regional sehr differenziert zu betrachten.“ Zum Rat der Betriebserweiterung ist zu erwähnen, dass die Niederlande 2008 einen Ferkelüberschuss von fünf Millionen hatten, der zur Hälfte nach Deutschland exportiert wurde. Mäster wie Erzeuger vor allem mit kleineren Einheiten geraten zunehmend unter erheblichen Druck. Man tröstet mit der Aussicht auf Steigerung des Pro-Kopf-Verbrauchs innerhalb der EU durch den Nachholbedarf der Länder aus der Osterweiterung 2007.

War es vor einigen Jahren noch kaum möglich neue Genehmigungen für Großmastbetriebe zu bekommen, sind derzeit wieder Projekte in Planung oder im Bau begriffen. Der Widerstand der Anwohner ist jedoch zunehmend ein Problem für die Landwirte. „Es handle sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb, den eine Familie plane, die bereits seit Generationen in der Landwirtschaft tätig ist und sich nun eben auf Hühnermast spezialisieren möchte: Das wird kein Industriebetrieb“, meint der Bürgermeister des 60-Seelen-Dorfes Messenfeld bei Ebensfeld. Hier soll ein Hühnermaststall für 36.000 Tiere errichtet werden (Quelle).
Falls dort nicht gebaut wird, ist das andernorts gerade recht. Der Fleischverzehr geht nämlich trotz Abneigung gegen die gängigen Haltungsformen nicht zurück, verzeichnet sogar jährlich noch Zuwächse. So können sich hier holländischen Hühnerfabrikanten, dänische Ferkelproduzenten und tschechische Kaninchenmäster freuen über die besseren Absatzmöglichkeiten unter protestfreudigen Deutschen. Dass die meisten Staaten laxere Tierschutzgesetze haben als das strenge Deutschland, und am Ende der Widerstand gegen heimische Produktion zu Ungunsten der „Nutztiere“ ausgeht, muss wohl nicht extra erörtert werden. Gänzlicher Verzicht auf tierische Produkte ist ja für die meisten gar nicht vorstellbar.

Deutsche Fleischfabriken

Die Zahlen die einem entgegenen sind kaum vorstellbar. Europas größte Fleischfabrik, der Firma B. & C. Tönnies, steht im westfälischen Rheda-Wiedenbrück. Hier werden täglich 20.000 Schweine geschlachtet und 150.000 Schnitzel hergestellt. Dies entspricht circa 13 Schweinen pro Minute. Im niedersächsischen Wietze wird derzeit an Europas größtem Hühnerschlachthof gearbeitet. Hier sollen pro Stunde 27.000 Hühner geschlachtet werden, was sieben Hühnern pro Sekunde entspricht und 432.000 Tieren pro Tag (2.592.000 Hühner pro Woche,134.784.000 pro Jahr) auf mehreren Schlachtstraßen parallel.
Für solche Projekte sind Schweinemäster und Hühnermastanlagen im Einzugsgebiet von extremer Wichtigkeit. Das Argument ‚Arbeitsplätze‘ ist jedoch mehr Hohlraum als Inhalt, ist doch minimaler Personalaufwand für die Pflege der Tausenden von Tieren nötig. Dazu kommt Konkurrenz von Billiglöhnern und ökologische Folgekosten, die auf die Regionen zukommen. Irgendwo muss ja die Gülle hin- und der enorme Wasserbedarf herkommen. Schließlich fliegen die Hühner nicht alleine zum Schlachthof und verteilen sich nicht von dort auf wundersame Weise über die Supermärkte Europas.
Viele Hofbetreiber, die seit Generationen ihren landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften stehen vor der Entscheidung ihre mittelgroßen Betriebe, die sie durch Modernisierung und Vergrößerung über die letzten Jahre gerettet haben, zu modernen Großmastanlagen zu erweitern oder die Segel zu streichen. Die Existenzangst sitzt tief in den Knochen der Viehwirtschafter. Auf dem Rücken der kleineren Produzenten wird der Machkampf europäischer Großkonzerne ausgetragen. Es geht um die Marktherrschaft. Durch Ausbau dieser Überkapazitäten bilden sich Spekuationsblasen bzw. „Hühnchenblasen“.

Schweinemast heute; Quelle: Erzeugerring

Es gibt nach wie vor Ökonomen, die die Selbstregulierungskräfte der Märkte nicht als einen Mythos abstempeln. Nachfrage und Angebot stehen immer im Wechselverhältnis. Ob Verbraucher den Betrieb der große Maschinerie der Viehindustrie verändern können ist fraglich. Ob man Unternehmen und Erzeuger mit Gesetzen zu Tierschutz und Wirtschaftsethik in ausreichendem Maße in die Pflicht nehmen kann ist ebenso hinterfragbar. So besteht immer das Risiko einer ideologiedurchränkten Politik gegen grenzen- und schamloses freies Agieren der Marktteilnehmer. Zwischen diesen großen Gedankenzusammenhängen steht der Milchbauer, der mittelgroße Schweinezüchter oder der  Hühnerhofbetreiber mit privatem Risiko, familiärer Verantwortung und Tradition. Die ethische Selbstfindungsphase unserer Gesellschaft wird noch spannend werden.

Weitere Infos:

Frontal 21 „Die Machenschaften der Hähnchenmäster“

Gerhard Flachowski: FLI, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit zu globaler Ernährung und CO²-Fußabdruck von Fleisch