Monatsarchiv: Januar 2011

Veolia und der freie Journalismus

Der französische Wasserkonzern Veolia klagt gegen die Filmemacher der Dokumentation „Water makes money“ (2010) über die Privatisierung der Wasserversorgung in Frankreich. Arte zeigt Courage und strahlt den Film dennoch am Internationalen Wassertag, dem 22. März, um 20.15 Uhr aus.

Interview mit der deutschen Filmemacherin Leslie Franke in „Junge Welt“


„Good food bad food – Anleitung für eine bessere Landwirtschaft“

Ein neuer Film über Lebensmittel und Agrarindustrie hat diese Woche Premiere in Deutschland.
Trailer und Infos zu der französischen Produktion gibt es hier: http://www.goodfood-badfood.de/
Zu den Veranstaltungen gibt es Prodiumsdiskussionen und Gesprächsmöglichkeit im Anschluss an die Vorführung. Sicher wird der Film auch in deiner Stadt gezeigt.
Hier ein Bericht von SWR

 


Was ist eigentlich Nachhaltigkeit?

Einen kurzen Moment war ich begeistert und beeindruckt von der riesigen Werbeaktion von RWE die 2009 erstmals über meinen Bildschirm flimmerte. Gibt es da doch ein Umdenken? Hat der Wille zu einer Energiewende vielleicht endlich die Großen der Branche erreicht?  Spätestens seit RWE sich mit den anderen Stromgroßkonzernen 2010 öffentlich für die Verlängerung der Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke eingesetzt hat, kommen auch in den Letzten, die Vertrauen in die Ehrlichkeit und den Innovationswillen von Unternehmen hatten, Zweifel auf. Im Jahr zuvor noch hatte RWE von der Werbeagentur Jung von Matt die aufwendige Kampagne mit dem grünen Riesen kreieren lassen, die den alleinigen Erzeuger von jährlich 170.000.000 Tonnen CO² (20 Prozent des Gesamtausstoßes der BRD) als Wegweiser für erneuerbare Energien darstellte.

Die Assoziation des Unternehmens mit dem voRWEg trampelnden grünen Riesen ist gelungen. Die Rechnung für ein grünes Image, dennoch nicht aufgegangen.  Greenpeace antwortete auf den Spot mit bitterer Satire und realen Zahlen. So hat sich RWE mit seiner Aktion wohl eher in die Nessel gesetzt und den Verbraucher mehr misstrauisch als vertrauensvoll gestimmt.

In der Werbeindustrie gibt es eine Bezeichnung für diesen neuen Trend der Einzug in die Marketingabteilungen der Weltkonzerne gehalten hat: Green washing. Es stimmt, dass die Kernkraft zu ihrer Einführung eine Innovation besonderen Ausmaßes war. CO²-freie Energieerzeugung, saubere Luft, saubere Gewässer und so gut wie keine Belästigung für die Bevölkerung. Die Erzeugungsstätten unserer Energie wurden unsichtbar für die Mehrheit der Bevölkerung. Im Vergleich zu Kohlekraftwerken kann man Kernkraftwerke durchaus als nachhaltige Klimaschützer bezeichnen, allein die Atomgegner wollen das nicht so sehen. So haben es die Stromkonzerne nicht einfach gegen den Widerstand gegen die nicht risikofreie und auch endliche Energiequelle als nachhaltig wirtschaftende Unternehmen wahrgenommen zu werden.

So gut wie das Wort „Nachhaltigkeit“ zu Beginn des neuen Jahrtausends bei der Bevölkerung eingeschlagen hat, so sehr hat es seinen Inhalt verwässert. Ausgehöhlt und so ziemlich von jedem Unternehmen genutzt steht der Verbraucher wieder vor der Frage: Wer wirtschaftet wirklich „nachhaltig“ und wer kleidet seine eher halbherzigen Bemühungen nur in ein grünes Mäntelchen?

„Das Konzept der Nachhaltigkeit beschreibt die Nutzung eines regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise regeneriert werden kann.“ [Enquete-Kommission der Bundesregierung „Herausforderungen und Antworten“ 2002]

Mit dieser Definition als Basis ist RWE bereits ausgeschieden. Regenerierbarkeit ist weder bei Uran als Rohstoff – abgesehen von der Möglichkeit der Wiederaufbereitung – wie der Kohle nicht gegeben. Bedingung ist die Erhaltung des existierenden Systems, der Lebensgrundlage für uns und nachfolgende Generationen. Welches System die Bezugsebene darstellt ist freilich variabel und relevant. Für einen Kopf der italienischen Mafia wird es am besten für seine Nachkommen sein, das mafiöse System zu erhalten und die Position des Nachfolgers zu sichern. Der Mafiaboss denkt und agiert nachhaltig.
Zur Erhaltung unseres Wohlstandes in der ersten Welt ist es notwendig, dass uns billig zugearbeitet, billig produziert wird und ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen. Da eine gerechte Verteilung des weltweiten Einkommens zu einem Wohlfahrtsgewinn in Schwellenländern und der dritten Welt führen würde, würde unserer in Europa sinken. Kurz: wir müssten den Gürtel enger schnallen. Unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit, in diesem Fall der nachhaltigen Erhaltung politischer Vormachtstellung des Westens zur Sicherung des Wohlstandes, ist das Agieren von amerikanisch kontrollierten Weltbank und protektionistischer EU die logische Konsequenz. Das von anderer Perspektive dies als ungerechte Unterdrückung, Erhaltung des Abhängigkeitsverhältnisses oder gar Neokolonialismus bezeichnet wird, ist ein andere Punkt. Ist das Bezugsystem eine lebenswerte Welt in der jeder Mensch die Menschenrechte uneingeschränkt zuerkannt bekommt, wird hier der Konflikt klar. Also was ist Nachhaltigkeit nun?

Klar ist in unseren Breitengraden, dass das Bezugsystem Ökologie und Soziales ist, oder: schütze die Umwelt, würdige die Menschen. Es hat hier nicht nur den Anschein, als wäre das bei den 68ern schon mal dagewesen. Warum fragen sich eigentlich so wenige Leute, warum das in Deutschland mittlerweile breite ökologische Bewusstsein in Frankreich kaum vorhanden ist? Noch weniger in Italien? Haben sich doch  diese Länder Europas ähnlich entwickelt, gegenseitig befruchtet und historisch – auf die ein oder andere Art und Weise – immer in engem Kontakt gestanden.

Deutschland hat eine Tradition als Konstruktionsstube globaler Technik. Das wird auch im Bereich der erneuerbaren Energien gefördert und gefordert. Ist nun dieses technische Denken, dass doch stark auf Effizienz ausgerichtet ist mit Nachhaltigkeit vereinbar? Eine lineare Denkweise ist eng verbunden mit einer Effizienzausrichtung. Wie löst man ein Problem am besten letztendlich in Luft auf?
Sieht man Zahlen der aktuelle weltweiten CO²-Produktion – vor allem der Industrienationen – im Vergleich zu den Werten, wie sie sein müssten, um die Folgen der Erderwärmung so gering wie möglich zu halten, kann man leicht von Hoffnungslosigkeit überwältigt werden. Der Verfahrenstechniker Prof. Dr. Michael Braungart meint: „Es ist nicht gut, weniger schlecht zu sein“ und kritisiert damit Zielrichtung von weniger Umweltbelastung des Menschen durch technische Neuerungen. Das käme der Vorstellung gleich nicht existent zu sein, dem Wunsch danach sich aufzulösen. Schließlich ist die Menschheit als Parasit des Planeten wahrgenommen. Es ist eine lineare Denkweise, wenn die EU Energie aus Müllverbrennung als erneuerbare Energie umetikettiert, denn das ist sie nicht. Plastik und andere Inhaltsstoffe sind für eine wiederholte Verwendung in einem Güterkreislauf unwiederbringlich verloren und es entsteht dabei hauptsächlich weitere Belastung für die Athmosphäre. Nachhaltig ist eine Bewertung von Gegenständen nach ihrem Nutzen. Es hat keinen Nutzen für den Menschen, wenn giftige Stoffe in Kleidung Allergien auslösen. Es hat keinen Vorteil, wenn Asbest in Autoreifen verboten ist, dafür aber ein anderer ähnlich schädlicher Inhaltsstoff zugesetzt wird. Die Bezugsebene muss von Effizienz auf Qualität verschoben werden.Schließlich ist nur giftfreies Plastik um uns herum die einzig gute Qualität.

Weniger ist nicht immer mehr. Das Ziel vieler Politiker scheint zu sein: Wie zügle ich die negativen Einflüsse auf unsere Umwelt und bremse dabei nicht die Wirtschaft aus. Ist Abstinenz der richtige Weg? Sicher ist, das dieses Verhalten nur über Ethik gesteuert werden könnte. Das dies ein mühsamer Ansatzpunkt ist, ist auch den meisten Altruisten klar. Vielleicht ist dies jedoch gar nicht nötig. Nachhaltiger als eine Selbstbeschränkung des Kaufverhaltens ist das gezielte Kaufen. Kauft der Kunde bei Firma xy, die sich zum Ziel gesetzt hat ihre Tintenpatronen zurückzunehmen und so weit wie möglich zu recyclen, ist dies nachhaltiger als das Unterstützen der Firma z, die lediglich für die Kosten der Sondermüllbeseitigung aufkommt (und schon das ist in manchen Branchen keine Selbstverständlichkeit).
Ziel ist eher ein zyklisches Denken, in dem der Mensch seinen Platz in einem natürlichen Kreislauf einnimmt. Nicht durch Ablehnung der Errungenschaften des technologischen Zeitalters, sondern indem der Mensch seine technischen Möglichkeiten zum Vorteil aller, sprich für die beste Qualität, einsetzt. Man denke an kompostierbare Verpackungstüten oder vollständig recyclebare Autos.

Nachhaltiges Handeln besteht also mehr als aus Mülltrennung und Bahn statt Auto. Nachhaltiges Handeln bedeutet anders denken. Nicht, wie kann der Mensch in dieser Welt leben ohne etwas zu verändern, ohne einen Faktor darzustellen, durch Verzicht und Verringerung des CO²-Fußabdrucks, sondern wie kann der Mensch in dieser Welt als Teil eines Systems leben und dieses als Kreislauf denken und erhalten.
Die Macht hat nicht die Politik, die mit ihren Alibisanktionen kaum etwas bewirkt und nicht die komplette Wirtschaftswelt mit Normen in Beton gießen kann. Leider nur zu oft verlässt sich der träge, obrigkeitsgläubige Deutsche auf den Staat. Der kann das Regeln, der Einzelne kann nichts ausrichten. Doch die Macht liegt beim Verbraucher, der entscheidet, ob er qualitative innovative Unternehmen unterstützt, oder sich nicht um das Gesamtbild kümmert. Eigentlich ist jedoch keiner von uns scharf darauf, seinen Kindern giftiges Spielzeug zu kaufen oder sich in schwermetallhaltige Kleidung zu kleiden.

Der Votrag von Prof. Dr. Braungart (Vortrag beginnt ab 4:50 Min)