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Durchblick ohne Tierversuche

Der Versuch: Nicht mit mir, besser am Tier!

Sie sind überall versteckt – tierische Produkte und nicht nur das: auch Tierversuche müssen für viele Dinge des alltäglichen Lebens durchgeführt werden. Vermeintlich. Da auch Kontaktlinsen als medizinisches Produkt deklariert sind, müssen auch hier ausreichend Tests gemacht werden. Das ist nachvollziehbar. Möchte doch auch niemand netzhautschädigende Kontaktlinsen verwenden oder am Ende erblinden.

Die Hersteller haben jedoch unterschiedliche Strategien im Umgang mit dieser Vorschrift zum Nachweis der Unschädlichkeit. Die einen beharren auf althergebrachten Methoden und testen weiter an Kaninchen und Co. und rechtfertigen das mit der absoluten Notwendigkeit. Die anderen nehmen eher eine entschuldigende Haltung ein, so, als seien sie sich durchaus bewusst, dass diese Methoden nicht in Ordnung gehen, verteidigen aber dennoch deren Durchführung, da sie ja vorgeschrieben seien. Und schließlich eine dritte Gruppe von Unternehmen, die sich bereits scheinbar  mutig für Neues und gegen Bisheriges entschieden haben, die nur noch an Zellkulturen testen.

Nun, ich war mich ehrlich gesagt nicht sicher, ob dies überhaupt möglich ist. Ist im Internet doch an vielen Stellen zu lesen, dass diese von Tierschützern als Alternative propagierten neuen Testmethoden nicht „so sicher“ seien, wie die bisherigen am lebenden Organismus. Umso überraschter war ich, als ich die Antworten einiger angefragter Kontaktlinsenhersteller erhielt, die ich euch nicht vorenthalten möchte.

Herstellerliste

Tierversuche führen durch:

Ciba Vision, der Marktführer:

„Wir bei CIBA VISION sind uns der Bedeutung des Tierschutzes bewusst und verfolgen aktiv die Entwicklung alternativer Testmethoden, wie zum Beispiel von in vitro Tests oder anderer moderner wissenschaftlicher Methoden.

Wie alle anderen Unternehmen, die Medizinprodukte (Kontaktlinsen sind Medizinprodukte) zur Anwendung am Menschen entwickeln, muss aber auch CIBA VISION eine begrenzte Anzahl von Tierversuchen durchführen, da die weltweiten Zulassungsbehörden bzw. Gesetze diese Versuche fordern.

Wir unterstützen die humane Behandlung von Tieren und befolgen uneingeschränkt die internationalen Abkommen wie auch Tierschutzvorschriften und -richtlinien der Gesundheitsbehörden in allen Ländern, in denen wir tätig sind.

Spezielle Komitees, welche sich aus von CIBA VISION unabhängigen Mitgliedern zusammensetzen, bewilligen Experimente und überwachen den Ablauf, um sicherzustellen, dass die Vorschriften eingehalten werden.“

Produkte: Dailies, Focus Dailies, Air Optix, Freshlook

Bausch + Lomb:

Leider habe ich von Bausch + Lomb keine Erlaubnis erhalten, den Wortlaut der Email zu veröffentlichen. Sie haben in einem langen Text geantwortet und versichert, den Tieren würde nichts geschehen wegen vorgelagerter in-vitro-Tests. Außerdem würden nur unbekannte Materialien getestet unter ständiger tierärztlicher Aufsicht. Es werde nur in dem Maß an Tieren getestet, wie notwendig wäre, um Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten und den gesetzlichen Anforderungen für Produktzulassungen und weiteren klinischen Tests gerecht zu werden. Sie würden die Bedenken hinsichtlich der artgerechten Behandlung von Tieren anerkennen und teilen und würden ihr Bestes tun um sicherzustellen, dass keine Arbeiten dupliziert werden und Alternativen in Erwägung gezogen würden um Tierversuche entweder komplett zu ersetzen, oder die Anzahl der Tiere auf ein absolutes Minimum zu verringern. Es würden alle Maßnahmen getroffen, um Schmerzen und Stress für die beteiligten Tiere vollständig auszuschließen. Es sei trotz Fortschritten leider bislang kein Ersatz mit den komplexen Abläufen chemischer und biologischer Interaktionen in einem lebenden Organsismus zur Zufriedenheit der Aufsichtsbehörden adäquat modellierbar.

Produkte: SoftLens, PureVision

Johnson & Johnson:

Bis heute habe ich auf meine Anfrage keine Antwort erhalten. Da Johnson & Johnson jedoch dafür bekannt ist eine der großen Firmen zu sein, die auf Tierversuche bauen, gehe ich davon aus, das dies auch bei Kontaktlinsen der Fall sein dürfte.

Produkt: Acuvue

Keine Tierversuche machen bzw. an Zellkulturen testen:

Cooper Vision

Produkte: Biomedics, Proclear, Rythmic, Lunelle, Biofinity, Avaira

MPG&E hat sogar sehr freundlich geantwortet:

„Die Zeiten der Tierversuche in der Materialentwicklung für Kontaktlinsen und Pflegemittel sind glücklicherweise vergangen. Die notwendigen Tests werden mikrobiologisch an gezüchteten Zellen durchgeführt.“

Produkte: Ecco, Compact, DreamLens, dream-care, Perfect contact lenses, natural fit, chromagen, Regard

CONTOPHARMA AG

Produkte: contaview, c-lens

Nicht wirklich festlegen konnten sich: Wöhlk

„Wenn wir in unserem Haus ein neues Produkt auf Basis eines neuartigen Kunststoffs in Zukunft bringen bevorzugen wir grundsätzlich den Alternativtest, der ein Laborversuch und kein Tierversuch ist. Voraussetzung ist aber ein eindeutiges Ergebnis mit dem Alternativtest, um die Produktzulassung zu bekommen.“

Produkte: contact (life, air, four, day 30, zeiss contact day), wöhlk perfect, Weflex, Geaflex, Hydroflex, Silsoft, sport contrast, G-72 D, W-50 D,  P.A.U.L, Conflex(-Air), A 90, Parabolar, wöhlk perfect, wöhlk bifo)

Alle angefragten Kontaktlinsenhersteller versicherten, dass keine tierischen Bestandteile in ihren weichen Kontaktlinsen enthalten seien.

Der innovative Selbstbetrug

Es bleibt die Frage, warum einige Unternehmen so selbstverständlich auf Tierversuche verzichten können, andere scheinbar gar nicht und damit auf die strengen Prüfkriterien verweisen. Mir kommt dabei der Gedanke, ob es nicht so sein könnte, dass die innovativsten Unternehmen wirklich Tiertests machen müssen, da sie komplett neue und unbekannte Materialien entwickeln, während andere Unternehmen auf (von anderen Herstellern) bereits getestete Materialien zurückgreifen. So können diese tierversuchsfrei arbeiten. Diese Taktik ist von Kosmetikherstellern bekannt.

Zugegeben, Kontaktlinsen sind ein Gebiet auf dem es bereits gute Produkte gibt. In anderen (medizinischen) Bereichen ist es jedoch unbedingt notwendig und sinnvoll neue Methoden und Stoffe zu erfinden und zu erforschen.

Am Ende bleibt offen, ob es – abseits einer möglichst tier(leid)freien Lebensweise wie dem Veganismus – für den Otto-Normal-Konsumenten einen Nutzen hat, Unternehmen zu boykottieren, die Tierversuche durchführen. Aus Tierschutz- und Tierrechtsperspektive ist das Urteil eindeutig. Für eine dauerhafte Veränderung der Prüfstandards und -bedingungen wird  dennoch wohl nur ein Diskurs auf politischer, also normgebender Ebene, etwas bringen, da diese innovative Unternehmen mit ihren Vorgaben derzeit nur abstrafen. Dass sie damit die Sicherheit im Gebrauch für den Menschen erheblich mehr erhöhen als mit vergleichbaren Labortests, kann stark angezweifelt werden. Doch das steht auf einem ganz anderen Blatt.


FSC – oh weh! Paviantötung mit Ökosegen

Die Hoffnung auf eine schöne, bessere Welt birgt auch das Risiko der Enttäuschung in sich. Und zwar gewaltig war ich enttäuscht, als ich gelesen habe, das FSC außer zweifelhafter Monokulturwirtschaft jetzt auch noch Paviane abschießen lässt.

Was bisher geschah …

FSC steht für „Forest Stewarship Council“. Ich habe mich durchaus gefreut, als sich 1993 endlich eine Gruppe von Menschen zusammenraufte und eine Nichtregierungsorganisation nicht nur zum Schutz der letzten (Ur)Wälder, sondern auch für die praktische Abhilfe – eine nachhaltige Holzproduktion und Papierherstellung – gründete. In den letzten Jahren ist auch tauchte das Siegel auch immer öfter auf, jetzt auch beim Discounter, im Baumarkt und auf dem Druckerpapier der Deutschen Post und des Media Marktes. Endlich bekam der Verbraucher die Möglichkeit sich gegen Teakholz unbekannter Herkunft zu entscheiden, denn Teak ist nicht selten das Baumerbe der Welt – die Urwaldriesen in Papierformat oder charmanten Latten am Gartenbänkchen. FSC zertifizierte die letzten Jahre vermehrt auch anders Harholz für Gartenmöbel, beispielsweise das schnell wachsende Eukalyptus. Rein rational eine kluge Entscheidung eine schnell wachsende Holzart für Gartenbesitzer mit Sitzmögelambitionen auszuwählen. Dachte ich so jedenfalls.

Mit breiterer Bekanntheit häufte sich die Kritik. Es ginge gar nicht um Schutz der ursprünglichen Wälder, sondern mehr um eine Vermarktungsstrategie für Plantagenholz aus riesigen Monokulturen. Ganz weit vorne in Reih und Glied gepflanzt: der Eukalyptus. Es kommt nicht selten zu verheerenden Bränden, die ganze Landstriche vernichteten. Flammen haben leichtes Spiel bei vermessenen Abständen und praktisch nicht vorhandener Vegetation, außer den Plantagenpflanzen. Dass dieses Gebiete kein Rückzugsort für die heimischen (oft vom Aussterben bedrohten) Tierarten ist, ist wohl  leicht nachzuvollziehen.

Monokultur, die Massentierhaltung im Pflanzenbereich, ist zudem sozial nicht nachhaltig. Sie führt meistens die Gepflogenheiten der Großagrarier, die wir schon aus bereichen wie Kakao oder Kaffee kennen, einfach weiter. Die Ressource Boden, die für viele Menschen vor Ort ein kostbar(st)es Gut ist, ist zum Vorteil weniger verteilt, wird einseitig genutzt, ausgelaugt und am Ende oft vernichtet.

So schön hatten wir es uns gedacht. Weder das rationelle Effektivitätsdenken noch globale Arbeitsteilung scheint nicht die Lösung für unsere bessere, gleichere Welt zu sein.

Wilde Horden in Garten des wertvollen Gutes

Abgesehen davon, dass viele Tiere durch Anlegen von Holzplantagen ihres Bodens beraubt werden, wünscht sie sich der Mensch gleich tot. Denn was nichts nützt, gar schädigt, muss getilgt werden. Der Baumverbiss der tausenden von Pavianen, die zwischen den akkurat gepflanzten Reihen einen gedeckten Tisch vorfinden, schädigt die Hersteller des Öko-Holzes. So greifen die Produzenten zur Knarre. 1040 Paviane wurden auch dieses Jahr zum Abschuss freigegeben. Über Sinn- oder Unsinnhaftigkeit dieses Vorgehens aus ökonomischer oder politischer Perspektive lässt sich sicher diskutieren und es ist nachvollziehbar, dass solche Debatten zum Nachteil der schlauen Affen ausgehen.

Aus wissenschaftlicher Perspektive ist die Rechnung Affe tot = weniger Affen = weniger Probleme allerdings alles andere als korrekt. Auch in Deutschland können wir erleben, dass Fuchsjagd und Wildschweinabschuß im großen Stil keine Auswirkungen oder sogar negative (aus Sicht der Weg-haben-Woller) haben. Ähnlich liegt der Fall bei den südafrikanischen Pavianen.

Die Begriffe „umweltfreundlich“ und „sozialförderlich“, die FSC auf seiner Homepage zur Selbstcharakterisierung benutzt, erzeugen allerdings aus ethischer Betrachtungsweise ein widersprüchliches Bild. Zweifelsohne waren uns sind die Affen Teil der Umwelt dieser Plantagen, der Bäume und der Menschen in Südafrika – dem Ort des Geschehens. Umweltfreundlich bezieht sich bei gegebenem Vorgehen wohl eher  als (massen)baumfreundlich oder direkter gesagt: geschäftsfreundlich und -förderlich. Abgesehen von billigem Druckerpapier und günstigen Gartenausstattungen bleibt für uns Westler allerdings nur ein nicht materieller Minuswert auf dem Konto: Gerodete Waldgebiete, nicht mehr existente Artenvielfalt, ausgebeutete Bevölkerungen und tausende von toten Affen. Bravo FSC!

Auf der Internetseite planten.de gibt es weitere Informationen zum Nachlesen und auch Links um an einer Protestaktion teilzunehmen. Take part!


Europas arme Schweine

Über Ferkelproduktion und Schweinemast zwischen Profit und Leistungsdruck unter deutschen Schweinebauern

„Massentierhaltung“, ein gar grausiges Wort, dass derzeit durch unsere Gesellschaft geistert. Dabei werden tausende Tiere auf engem Raum gehalten um möglichst schnell Schlachtreife zu erreichen. Dabei variiert die Mastdauer in Abhängigkeit von der Tierart, bei Hühnern rund 8 Wochen, sind es bei Schweinen etwa 6 Monate. Lange wurden Kritiker von den Agrarbetrieben nicht ernst genommen. Nun sind diese mehr und mehr unter Bedrängnis und schießen bisweilen auch gegen Tierschutzorganisationen wie beispielsweise die „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“.

anklicken zum Vergrößern; Quelle: Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

„Mit dem Rad zur Arbeit, dazu regelmäßig frische Milch und ein gesundes Stück Fleisch, das wäre eine Frischzellenkur für Mensch und marode Krankenkassen. Scheinbar ist Herrn zu Wehdel – Präsident der Landwirtschaftskammer – entgangen, dass diese Erkenntnisse seiner Lobby, entsprechen nicht aber denen der Wissenschaft. Die“Deutsche Gesellschaft für Ernährung“ (DGE) empfiehlt maximal dreimal pro Woche eine angemessene Menge Fleisch und rät allgemein zu vegetarischer Ernährung. Die AGA hält gar eine vegane Ernährung für Menschen jeder Altersstufe für problemlos.

Lebenserwerb gegen Ideologie: Verhärteten Fronten

Die eigentliche Stoßrichtung waren wohl weniger Vegetarier. Bei dieser Verweigerungsgruppe ist wohl für Fleischproduzenten sowieso jede Hoffnung verloren. Viel mehr wird das Feindbild der radikalen Tieschützer bemüht. Ganz klar, Fleischverzicht tut mehr weh als schmerzloser Protest gegen nicht artgerechte Tierhaltung, sprich, der Konsument kann hier in einer Doppelrolle zum Gegner werden.
Zudem hat die angegriffene Oranisation in erster Linie gar nichts mit dem Veggiday zutun. Dennoch ist es im Sinne der Albert Schweitzer Stiftung, solche Aktionen zu unterstützen.Die Macher der Aktion „Veggiday“ grenzen sich sogar explizit von Tierschutzorganisationen ab um dem Ideologieverdacht zu entkommen. „Wir, die Initiatoren des „Veggiday in Bremen“, sind keine Vegetarier und wollen niemanden zum Vegetarismus bekehren, das sollen die Anhänger dieser Ernährungsform schon selber tun. Wir vertreten mit unserem „Veggiday“ auch nicht die Ziele von Tierschützern, die Fleischverzicht ausschließlich aus Tierschutzgründen propagieren.“ Anliegen sind in erster Linie Klima und Gesundheit. Hier erreicht die Debatte eine andere Ebene als die ideologische auf der sich Fleischlobby und Tierschützer traditionell bekämpfen. Es geht plötzlich um Themen, die eine breite Gesellschaft bewegen wie der Klimawandel. Ja, wenn es nicht gar um das Thema geht: Gesundheit.

Kühe versauen unser Klima

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO) hat bereits 2006 einen Bericht über die langfristigen Folgen unseres Fleischkonsums vorgelegt („Livestock’s long shadow. Environmental issues and options“, Rom 2006). Darin ist dargelegt, das 13 Prozent der weltweiten CO²-Emissionen aus Verkehrs- und Transportwesen stammen, 18 Prozent aus Tierhaltung und Fleischkonsum.
Interessant an der Sache ist, dass die FAO den Bedarf an Ackerfläche zur Erzeugung von Fleisch und Milch durch erhöhten Pflanzenertrag kalkuliert. Das bedeutet entweder Tiere, die aus weniger Input (Futtergehalt) mehr Output (Milch und Muskelmasse) machen, oder Pflanzen, die dem Tier mehr Nährstoffgehalt anbieten. Das Friedrich-Loeffler-Institut in Braunschweig ist Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit Dieses hat hier neben optimierter Tierernährung auch Pflanzenzüchtung und Tierzucht durch Einsatz von „grüner Gentechnik“  (von Gegnern als „Genmanipulation“ bezeichnet), als Lösungsmöglichkeit angeboten. „Höhere Leistungen – Weniger Tiere“ und „Höhere Effizienz der Nutzpflanzen“ bringt es als Schlussfolgerung auf den Punkt. Ziel ist die Optimierung des „Veredelungsprozesses“, wobei Letzteres die Umwandlung von pflanzlichen Produkten  in höherwertige Tierprodukte  bezeichnet. Dementsprechend kann man Massentierhaltung aus als „Veredelungswirtschaft“ bezeichnen.

Kwun Tong Shui Wo Straßenmarkt in China; Quelle: wikimedia

Klimarettung und Welternährung durch EU und Interessenverbände

Auch die Interessenverbände der Viehwirtschaft wünschen sich leichtere und schnellere Zulassungen von gentechnisch verändertem Saatgut (Genveränderten Organismen) in Europa. Nicht nur Schweinehalter stehen in Deutschland unter enormem Preisdruck. Viele Agrarverbände erörtern ihren Mitgliedern, dass Markterlaubnis für GVO in Europa die Futtermittelkosten und somit die Gewinnspanne der Erzeuger vergrößern könne. Dass dieser Effekt höchstwahrscheinlich nur kurzfristig weilen würde, fällt unter den Tisch. Von „Gewinn“ kann in der „Intensivtierhaltung“ oder „landlosen Tierhaltung“, wie bevorzugte Bezeichnungen der Hühner-, Rinder- und Schweineproduzenten sind, nicht groß die Rede sein. Nach Angaben der Landwirtschaftskammer Niedersachsen konnten 2008 nur etwa zwei Drittel der Betriebe schwarze Zahlen schreiben. Niedersachsen und das Emsland beheimatet rund 50 Prozent der Ställe in Deutschland. Die Preise die die Erzeuger erhalten sind knapp kalkuliert. In Deutschland herrscht Überproduktion. Dennoch machen Interessenverbände und Politik Hoffnung auf ein gutes Exportgeschäft nach China oder andere Regionen der Welt, die dem westlichen Lebensstil nacheifern.

Doch auch die EU spielt ihre Rolle dabei. Sie ist stets bemüht Lebensmittelkosten für die Verbraucher auf niedrigem Niveau zu halten. Vor allem die wirtschaftsliberalen Ideale von freiem Personen-, Kapital-, Finanz- und Güterverkehr prägen ihr Vorgehen. So sieht die EU ungern Einschränkungen der freien Marktwirtschaft. Sei es durch Einfuhrverbot von GVO oder Verbote für den Anbau derselben. Dass EU-Politik auch protektionistische Züge aufweist wird deutlich an den hoch subventionierten Exporten von Milch- und Milcherzeugnissen, aber auch lebenden Tieren in Länder außerhalb der EU, häufig der dritten Welt. Rund 40 Millionen Euro jährlich in Form von Agrarsubentionen lässt die Staatengemeinschaft sich das kosten. In Deutschland erhalten davon allerdings weniger als 1 Prozent der Erzeuger mehr als 300.000 Euro, während 70 Prozent der Betriebe unter 10.000 Euro bleiben. Die „großen“ Empfänger sind meist Unternehmen die nicht mehr in erster Linie mit der Erzeugung von Lebensmittel zutun haben (oder manchmal auch gar nichts mehr) sondern mehr verarbeitende Betriebe wie Campina oder Storck.
Hier scheinen die kleinen Schweinemäster also nicht die großen Gewinner zu sein. Zwar sind Milchsee, Butter- und Fleischberge seit 2007 endgültig aufgebraucht, die Überproduktion geht jedoch ungebremst weiter. Auch  umfassende Standardisierung der Lebensmittelproduktion ist der EU ein Herzensanliegen. Natürlich hat das den Vorteil, dass man hier scheinbar alles besser kontrollieren kann, als bei kleinbäuerlicher Strukturierung. Zudem ist hier ein verbesserter Arbeitsprozess verantwortlich für rationelles Produzieren. Zweifelsohne ist hygienisch gesehen durch einheitliche Normen der EU die Fleischqualität und -sicherheit gestiegen. Ob der vorangetriebene Rationalisierungsprozess auch  ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis für Gesellschaft und Umwelt anbietet ist jedoch fraglich. Einen kleinbäuerliche Struktur passt eben nicht zum fortschrittlichen global player Europa.

Schweinemast 1952; Quelle: Bundearchiv

Verunsicherungen und Hoffnungen

Bei topagrar online, einem „Magzin für moderne Landwirtschaft“ gab es 2008 einen Expertenchat für Schweinehalter. Auf die Frage nach der Größe der Schweinemast und ihren Standorten in zehn Jahren antwortete Dr. Claus-Ulrich Honold, Notierungsleiter an der Landesstelle für landwirtschaftliche Marktkunde in Schwäbisch-Gmünd als Experte: „Wir haben eine sehr starke regionale Differenzierung, z.B. ist in Süddeutschland ein 1000er-Betrieb schon groß. In Niedersachsen ist dies wahrscheinlich ein unterdurchschnittlicher Bestand. Wahrscheinlich wird es in 10 Jahren auch in Süddeutschland schwierig sein ausschließlich von 1000 Mastplätzen zu leben. Die Frage nach den Standorten: Ziel sollte es immer sein, an einem entwicklungsfähigen Standort möglichst viele Mastschweine zu halten, wo die Obergrenze letztendlich liegt, ist selbst innerhalb eines Bundeslandes regional sehr differenziert zu betrachten.“ Zum Rat der Betriebserweiterung ist zu erwähnen, dass die Niederlande 2008 einen Ferkelüberschuss von fünf Millionen hatten, der zur Hälfte nach Deutschland exportiert wurde. Mäster wie Erzeuger vor allem mit kleineren Einheiten geraten zunehmend unter erheblichen Druck. Man tröstet mit der Aussicht auf Steigerung des Pro-Kopf-Verbrauchs innerhalb der EU durch den Nachholbedarf der Länder aus der Osterweiterung 2007.

War es vor einigen Jahren noch kaum möglich neue Genehmigungen für Großmastbetriebe zu bekommen, sind derzeit wieder Projekte in Planung oder im Bau begriffen. Der Widerstand der Anwohner ist jedoch zunehmend ein Problem für die Landwirte. „Es handle sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb, den eine Familie plane, die bereits seit Generationen in der Landwirtschaft tätig ist und sich nun eben auf Hühnermast spezialisieren möchte: Das wird kein Industriebetrieb“, meint der Bürgermeister des 60-Seelen-Dorfes Messenfeld bei Ebensfeld. Hier soll ein Hühnermaststall für 36.000 Tiere errichtet werden (Quelle).
Falls dort nicht gebaut wird, ist das andernorts gerade recht. Der Fleischverzehr geht nämlich trotz Abneigung gegen die gängigen Haltungsformen nicht zurück, verzeichnet sogar jährlich noch Zuwächse. So können sich hier holländischen Hühnerfabrikanten, dänische Ferkelproduzenten und tschechische Kaninchenmäster freuen über die besseren Absatzmöglichkeiten unter protestfreudigen Deutschen. Dass die meisten Staaten laxere Tierschutzgesetze haben als das strenge Deutschland, und am Ende der Widerstand gegen heimische Produktion zu Ungunsten der „Nutztiere“ ausgeht, muss wohl nicht extra erörtert werden. Gänzlicher Verzicht auf tierische Produkte ist ja für die meisten gar nicht vorstellbar.

Deutsche Fleischfabriken

Die Zahlen die einem entgegenen sind kaum vorstellbar. Europas größte Fleischfabrik, der Firma B. & C. Tönnies, steht im westfälischen Rheda-Wiedenbrück. Hier werden täglich 20.000 Schweine geschlachtet und 150.000 Schnitzel hergestellt. Dies entspricht circa 13 Schweinen pro Minute. Im niedersächsischen Wietze wird derzeit an Europas größtem Hühnerschlachthof gearbeitet. Hier sollen pro Stunde 27.000 Hühner geschlachtet werden, was sieben Hühnern pro Sekunde entspricht und 432.000 Tieren pro Tag (2.592.000 Hühner pro Woche,134.784.000 pro Jahr) auf mehreren Schlachtstraßen parallel.
Für solche Projekte sind Schweinemäster und Hühnermastanlagen im Einzugsgebiet von extremer Wichtigkeit. Das Argument ‚Arbeitsplätze‘ ist jedoch mehr Hohlraum als Inhalt, ist doch minimaler Personalaufwand für die Pflege der Tausenden von Tieren nötig. Dazu kommt Konkurrenz von Billiglöhnern und ökologische Folgekosten, die auf die Regionen zukommen. Irgendwo muss ja die Gülle hin- und der enorme Wasserbedarf herkommen. Schließlich fliegen die Hühner nicht alleine zum Schlachthof und verteilen sich nicht von dort auf wundersame Weise über die Supermärkte Europas.
Viele Hofbetreiber, die seit Generationen ihren landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften stehen vor der Entscheidung ihre mittelgroßen Betriebe, die sie durch Modernisierung und Vergrößerung über die letzten Jahre gerettet haben, zu modernen Großmastanlagen zu erweitern oder die Segel zu streichen. Die Existenzangst sitzt tief in den Knochen der Viehwirtschafter. Auf dem Rücken der kleineren Produzenten wird der Machkampf europäischer Großkonzerne ausgetragen. Es geht um die Marktherrschaft. Durch Ausbau dieser Überkapazitäten bilden sich Spekuationsblasen bzw. „Hühnchenblasen“.

Schweinemast heute; Quelle: Erzeugerring

Es gibt nach wie vor Ökonomen, die die Selbstregulierungskräfte der Märkte nicht als einen Mythos abstempeln. Nachfrage und Angebot stehen immer im Wechselverhältnis. Ob Verbraucher den Betrieb der große Maschinerie der Viehindustrie verändern können ist fraglich. Ob man Unternehmen und Erzeuger mit Gesetzen zu Tierschutz und Wirtschaftsethik in ausreichendem Maße in die Pflicht nehmen kann ist ebenso hinterfragbar. So besteht immer das Risiko einer ideologiedurchränkten Politik gegen grenzen- und schamloses freies Agieren der Marktteilnehmer. Zwischen diesen großen Gedankenzusammenhängen steht der Milchbauer, der mittelgroße Schweinezüchter oder der  Hühnerhofbetreiber mit privatem Risiko, familiärer Verantwortung und Tradition. Die ethische Selbstfindungsphase unserer Gesellschaft wird noch spannend werden.

Weitere Infos:

Frontal 21 „Die Machenschaften der Hähnchenmäster“

Gerhard Flachowski: FLI, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit zu globaler Ernährung und CO²-Fußabdruck von Fleisch